8. September 2025 · Forschung
Wenn das Vertrauen bröckelt: Eine Studie über Wege aus der Vertrauenskrise
Ein Nachhaltigkeitsskandal, gebrochene Beziehungen zu Stakeholdern und Kommunikationsabbruch auf ganzer Linie – was nun? Eine aktuelle Fallstudie von HWZ-Projektleiterin Tiziana Gaito, gemeinsam mit Antoinette Weibel und Sybille Sachs, zeigt eindrucksvoll, warum Misstrauensmanagement mehr ist als klassische Vertrauensreparatur und wie Organisationen auch in schwersten Krisen wieder in den Dialog finden.
Vertrauen ist ein zentraler Wert moderner Stakeholder-Kommunikation – doch was passiert, wenn dieses Vertrauen nicht nur beschädigt, sondern durch aktives Misstrauen ersetzt wird? In einem aktuellen Interview im Podcast TrustTalk teilt Tiziana Gaito, Projekt- & Studiengangsleiterin am Departement Management & Leadership der HWZ, die zentralen Erkenntnisse zu dieser Frage.
Die Forscherinnen führten in ihrer Fallstudie 17 Interviews im Rahmen eines Nachhaltigkeitsskandals einer internationalen Organisation. Der Fall ermöglichte seltene Einblicke in den Umgang mit gegenseitigem Misstrauen – zwischen Unternehmen, NGOs, politischen Akteuren und weiteren Stakeholdern.
Vertrauen ≠ Misstrauen
Während Vertrauensverlust häufig mit Dialogbereitschaft und vertrauensbildenden Massnahmen begegnet werden kann, stellt Misstrauen eine ganz andere Herausforderung dar: Menschen, die misstrauen, gehen aktiv davon aus, dass die andere Seite schaden will.
In der untersuchten Organisation führte das zu einem Abbruch der Kommunikation, juristischen Auseinandersetzungen und einem emotional aufgeladenen Klima. Auch die Forschenden selbst mussten erst Vertrauen aufbauen, um Interviews führen zu dürfen.
Zwei zentrale Ursachen für Stakeholder-Misstrauen
Die Studie identifiziert zwei Hauptursachen, die das Misstrauen der Stakeholder nährten:
Stakeholder und Unternehmen verfolgten grundverschiedene Ziele und Werte – insbesondere in Bezug auf Nachhaltigkeit. Stakeholder forderten transparente, nachhaltige Massnahmen, während das Unternehmen auf kurzfristige Profite und Marktanteile fokussiert war. Viele der Stakeholder aus dem Nachhaltigkeitsbereich wurden deswegen als wenig relevant eingestuft oder ihre Anliegen gänzlich ignoriert.
Die Stakeholder hielten die Aussagen des Unternehmens für absichtlich irreführend – ein ernsthafter Vorwurf, der Dialog unmöglich machte. Selbst gutgemeinte Kommunikation wurde als manipulativ interpretiert. Deshalb fehlte es an Glaubwürdigkeit auf ganzer Linie.
Drei Schlüsselmomente der Wende
Die Transformation von Eskalation bis zur Überwindung des Misstrauens durchlief drei zentrale Phasen:
Verhärtung: Nach dem Skandal entwickelte sich rasch ein Zustand des gegenseitigen Misstrauens zwischen dem Unternehmen und den Stakeholdern.
Druck & Veränderungsbereitschaft: Erst massiver Reputations- und finanzieller Druck löste ein Umdenken im Unternehmen und eine andere Herangehensweise an das Thema der Nachhaltigkeit aus.
Vermittlung durch Dritte: Eine neutrale Drittpartei ermöglichte die vorsichtige Wiederaufnahme von Gesprächen zwischen Vertreter:innen des Unternehmens und Stakeholderorganisationen – der Weg zur sogenannten «fragilen Akzeptanz».
Der Weg zurück zum Dialog
1. Eskalation: Rückzug & Konflikt
2. Einsicht: Veränderung aus Eigeninteresse
3. Vermittlung: Vertrauensbrücke durch neutrale Dritte
Die Rolle neutraler Dritter
Der Wendepunkt kam nicht nur durch ein Umdenken auf Stakeholder- oder Unternehmensseite, sondern wurde erst durch die Einbindung einer neutralen Instanz effektiv ermöglicht – einer Drittpartei, die:
von beiden Seiten als glaubwürdig und neutral akzeptiert wurde,
Botschaften übersetzen und vermitteln konnte,
durch die Wiederherstellung des Dialogs neue Formen der Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und den Stakeholdern ermöglichte.
Im Podcast erklärt Tiziana Gaito, wie genau diese Vermittlerrolle funktionierte und warum Neutralität ein unterschätzter Erfolgsfaktor ist.
«Fragile Akzeptanz» statt Vertrauen
Vertrauen wurde durch die Vermittlung nicht sofort wiederhergestellt – aber es entstand ein Zustand der vorsichtigen Kooperationsbereitschaft:
Stakeholder beobachteten das Unternehmen kritisch, aber hörten offen zu.
Das Unternehmen musste Kohärenz zwischen dem internen Handeln und der Kommunikation gegen aussen sicherstellen.
Führungskräfte und Mitarbeitende aller Hierarchiestufen mussten den angestrebten Wandel im Sinne der Nachhaltigkeit glaubhaft kommunizieren und in ihren Aktivitäten umsetzen.
Was bedeutet «fragile Akzeptanz»?
Es handelt sich um einen Übergangszustand: Kooperation ist wieder möglich, doch jeder Schritt wird hinterfragt. Misstrauen ist nicht verschwunden, aber kontrollierbar geworden.
Empfehlungen für Organisationen
Aus der Studie lassen sich praxisnahe Empfehlungen für Unternehmen ableiten:
Eigene Annahmen und Vorurteile hinterfragen
Externe Vermittlung frühzeitig einsetzen
Aktives Zuhören statt PR-Monologe
Versprochenes muss nach innen wie aussen spürbar werden


